Pakt für den ÖGD: Digitale Reife der Gesundheitsämter steigt

Die Digitalisierung der Gesundheitsämter schreitet voran – allerdings bleibt noch viel zu tun. Das zeigt der zweite Zwischenbericht zur „Erfassung der digitalen Reife“, der im Dezember 2023 veröffentlicht wurde. Gemessen wird die Entwicklung auf Basis des Reifegradmodells. Steigerungen in mehreren der acht Dimensionen des Modells sind nötig, um Fördergelder aus dem Pakt für den ÖGD zu erhalten.

Illustration mit technisches Symbolen für Laptop, Handy, E-Mail etc.
Geralt | Pixabay

Der größte Fortschritt wurde in der Dimension „Digitalisierungsstrategie“ erzielt. Hier erreichen nun immerhin knapp 55 Prozent die niedrigste Stufe 0. Ein Jahr zuvor lag der Wert noch bei knapp 35 Prozent. Die Autor:innen des Berichts deuten dies als bedeutenden Fortschritt. Voran geht es auch in der Dimension „Mitarbeitende“. Hier wurde die Stufe 0 mit knapp 75 Prozent am häufigsten erreicht, was laut Zwischenbericht auf erste erfolgreiche Integrationsmaßnahmen der Mitarbeitenden in den Digitalisierungsprozess hinweist. Positive Entwicklungen gibt es in weiteren Dimensionen, darunter „Bürger:innenzentrierung“ und „Zusammenarbeit“.

Verbesserungspotenzial bleibt

Luft nach oben besteht noch in den Bereichen der „IT-Bereitstellung“ und „IT-Sicherheit“. Die größten Hürden liegen offenbar in der „Prozessdigitalisierung“. In dieser Dimension konnten in beiden Erhebungswellen die meisten Institutionen keine Stufe erreichen.

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Maßnahmen zur Prozessdigitalisierung ein mittelfristiges Unterfangen sind. Positive Auswirkungen könnten nach Ansicht der Autor:innen vermutlich erst in späteren Erhebungen sichtbar werden. Die vorliegenden Daten unterstrichen die Notwendigkeit kontinuierlicher Maßnahmen zur Förderung der digitalen Transformation im ÖGD, heißt es im Bericht.

Ohne spezialisierte Mitarbeiter:innen geht es nicht

Ein wichtiger Faktor, um die Digitalisierung voranzutreiben, ist das Personal. Die Zahl der EDV-Spezialist:innen steigt von Anfang 2022 bis Anfang 2023 leicht an. In mehr als der Hälfte der geförderten Gesundheitsämter gibt es aber nach wie vor keine spezialisierten Mitarbeiter:innen für EDV.

Da bei vielen Maßnahmen die Förderung im September 2024 ausläuft, stellt sich die Frage nach der Verlängerung. Dies dürfte teilweise über den 3. Förderaufruf erfolgen, der derzeit läuft. Doch auch für die Zeit nach Ende der Paktlaufzeit, also die Zeit ab 2026, werden die Gesundheitsämter Mittel zur weiteren Digitalisierung benötigen.

Der Zwischenbericht ist online verfügbar auf gesundheitsamt-2025.de.

Interview mit Torsten Eymann: „Ein Grundstein ist gelegt“

Prof. Torsten Eymann ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der Uni Bayreuth und Leiter des Instituts Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT, das das Reifegradmodell mitentwickelt hat. Wir haben nachgefragt, wie der Wirtschaftsinformatiker den bisherigen Erfolg des Pakts für den ÖGD einschätzt.

Wie bewerten Sie die Entwicklung der Digitalen Reife der Gesundheitsämter in Deutschland?

Die Entwicklung der Digitalen Reife der Gesundheitsämter in Deutschland zeigt erfreuliche Fortschritte zwischen der ersten und zweiten Erhebungswelle. Insbesondere in den Dimensionen „Digitalisierungsstrategie“, „Bürger*innenzentrierung“ und „Zusammenarbeit“ sind Verbesserungen zu verzeichnen. Dies sind positive Entwicklungen und bieten eine solide Grundlage für die kommenden Jahre. Die gezielte Herangehensweise und das gesteigerte Bewusstsein in den Gesundheitsämtern, Digitalisierungsprojekte anzugehen und im Reifegradmodell voranzuschreiten, sehe ich als eine sehr wichtige Entwicklung. In diesem Transformationsprozess kommen wir zum Umdenken, indem die Digitalisierung weniger als Hindernis, sondern vielmehr als eine vielseitige Arbeitserleichterung betrachtet werden kann. Ein erster Grundstein ist gelegt, und darauf kann zukünftig erfolgreich aufgebaut werden. Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass die digitale Reife der Gesundheitsämter von der ersten auf die zweite Erhebungswelle exorbitant steigt. Die Digitalisierung betrifft zahlreiche Bereiche in Gesundheitsämtern und erfordert daher eine angemessene Entwicklungszeit.

Wo sehen Sie die größten Erfolge, wo die größten Potenziale?

Insbesondere das Voranschreiten der Gesundheitsämter in der Dimension „Digitalisierungsstrategie“ zeigt, dass erstmals konkrete Konzepte und ein digitaler Fahrplan entstehen, wie sich Gesundheitsämter langfristig digital ausrichten wollen. Das ist ein wichtiger Meilenstein und auch eine Voraussetzung, um sinnvoll Digitalisierungsprojekte in den Gesundheitsämtern abzuleiten. Dennoch wäre es meiner Meinung nach unangemessen, die größten Erfolge zu sehr auf die Entwicklung einer bestimmten Dimension zu beschränken. Die digitale Reife jedes Gesundheitsamtes entwickelt sich kontinuierlich weiter, und jeder noch so kleine Erfolg sollte als wichtiger Fortschritt anerkannt werden. Für die Zukunft kann ich mir vorstellen, dass insbesondere die Digitalisierung von Prozessen eine zentrale Rolle spielen wird, um die Effizienz zu steigern, den Arbeitsaufwand der Mitarbeitenden zu reduzieren und die Verfügbarkeit sowie Auswertbarkeit relevanter Daten zu vereinfachen.

Funktioniert das Reifegradmodell als Messinstrument gut oder sind Anpassungen nötig?

Wir überprüfen fortlaufend die Anwendbarkeit des Reifegradmodells und sind dabei besonders auf das Feedback der Gesundheitsämter angewiesen. Insgesamt erhalten wir größtenteils positive Rückmeldungen zur Nützlichkeit des Reifegradmodells sowie konstruktive Verbesserungsvorschläge, denen wir mit Interesse nachgehen. Obwohl am Reifegradmodell voraussichtlich keine größeren Veränderungen vorgenommen werden, sind kontinuierliche Verbesserungen in den Bereichen Handlungsempfehlungen, Verständlichkeit, Präzision und Kommunikation zu Best Practices geplant.