IT-Zielarchitektur für den ÖGD: Infoveranstaltung mit über 850 Teilnehmenden

Für die Veranstalter kam der Andrang überraschend: Mehr als 850 Teilnehmende waren gestern, am 18. Januar 2024, online dabei, als das Robert Koch-Institut (RKI) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemeinsam die geplante „ÖGD IT-Zielarchitektur“ vorstellten. Neben einer Konkretisierung dessen, was das Projekt bei Abschluss leisten können soll, wurde in der Online-Veranstaltung auch der Name der geplanten modularen IT-Plattform bekanntgegeben: Elektronisches Melde- und Informationssystem für Gesundheitsämter – kurz EMIGA.

Bunte Grafik mit Pfeilen in alle Richtungen
Geralt | Pixabay

EMIGA ist als „bundeseinheitliche Kernanwendung für den Infektionsschutz vorgesehen“, wie es in der Präsentation wörtlich hieß, und wurde als offizieller, aber deutlich leistungsfähigerer Nachfolger zur Software und Webanwendung SurvNet beschrieben. Kern von EMIGA werden Fallmanagement, Kontaktpersonenmanagement, Ausbruchsmanagement und Auswertungen bei Infektionserkrankungen gemäß dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) sein. Wie SurvNet wird EMIGA allen Gesundheitsämtern kostenlos zur Verfügung stehen.

Der geplante Leistungs- und Funktionsumfang von EMIGA

  • Bundesweit einheitliche Standards
  • Einheitliche Datenbestände auf allen Ebenen des ÖGD
  • Sicherer Austausch von personenbezogenen Daten
  • Interoperabilität
  • Digitale Prozessunterstützung
  • Benutzerfreundlichkeit
  • Flexibilität
  • Skalierbarkeit
  • Visualisierung von Daten und Ausbruchserkennung
EMIGA kommt, DEMIS bleibt

Erklärtes Ziel der Infoveranstaltung war - neben der Vorstellung von EMIGA - erste Bedarfe und Erwartungen der Gesundheitsämter an eine digitale und vernetzte Lösung zur Infektionsmeldung abzufragen. Bei den Kommentaren der Teilnehmenden ging es dann erwartungsgemäß häufig um die Interoperabilität der geplanten Software, also um die Möglichkeit, möglichst reibungslos Schnittstellen zu schaffen und Daten beispielsweise mit anderen Gesundheitsämtern bzw. (Fach-)Anwendungen auszutauschen. Und damit auch um die Frage, inwieweit bereits eingesetzte Tools weiter genutzt werden können oder die Verlängerung laufender Lizenzverträge sich ab einem bestimmten Datum erübrigt.

Sehr früh wurde in diesem Kontext die Frage gestellt, ob DEMIS in Zukunft durch EMIGA ersetzt wird. Die Antwort: Nein, EMIGA und DEMIS sollen jedoch eng verzahnt werden. Während die Meldung von Infektionen an das jeweilige Gesundheitsamt weiter über DEMIS geplant ist, dient EMIGA zur Verarbeitung der gemeldeten Informationen im Amt sowie zur weiteren Meldung an andere Behörden. Auch die Kontaktnachverfolgung erfolgt dann über EMIGA, ebenso wie die Kontaktaufnahme mit den Bürger:innen.

Mit Blick auf weitere Fachanwendungen und digitale Lösungen, die bereits in den Ämtern etabliert sind oder künftig entwickelt werden, verwiesen RKI und BMG auf die angestrebte Interoperabilität bei der IT-Zielarchitektur. So soll EMIGA Schnittstellen zu Zusatzanwendungen (ZA) bieten - um die Anbindung an EMIGA müssen sich allerdings die jeweiligen Softwarehersteller:innen kümmern. Auch eine Schnittstelle zur (ebenfalls kostenlosen) Kollaborationsplattform AGORA, die seit dem vergangenen Jahr vom RKI betrieben wird, ist eingeplant.

Bei der Qualitätssicherung der einzelnen Zusatzanwendungen verwiesen die Veranstalter auf die Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen (AÖGW), genauer gesagt auf das dort angesiedelte Projektbüro Digitale Tools (PDT), das Anwendungen durch einen technischen und einen fachlichen Beirat auf die Tauglichkeit für den Einsatz in Gesundheitsämtern bewerten lässt. Die Interoperabilität ist ein zentraler Baustein bei dem vom PDT entwickelten Bewertungsverwahren.

Mitarbeit der Gesundheitsämter gefordert – Partizipation großgeschrieben

Zu sehen waren von EMIGA bisher zwei sogenannte „Mockups“, also funktionsfreie Screenshot-Attrappen, die vermitteln sollen, wie die Anwendung einmal aussehen könnte. Die Programmierung steht allerdings noch aus. Damit EMIGA bestmöglich auf die Anforderungen an ein flächendeckendes digitales Meldesystem abgestimmt ist und von den Nutzer:innen auch angenommen wird, sehen RKI und BMG Pilotierungen in einzelnen Gesundheitsämtern vor.

Geplant ist außerdem, schon während der Entwicklung in den kommenden zwei Jahren je ein bis zwei Gesundheitsamt-Mitarbeitende (aus verschiedenen Berufsgruppen) pro Bundesland miteinzubeziehen, ebenso wie die für die Umsetzung der Infektionsmeldung gemäß IfSG zuständigen Landesbehörden. Parallel sind Update- und Feedbackveranstaltungen vorgesehen sowie regelmäßige Informationen über AGORA, eine im Aufbau begriffene Projektwebsite und gesundheitsamt-2025. Ende 2025 soll die modular aufgebaute IT-Plattform EMIGA dann einsatzbereit sein.

Eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung ist bisher nicht vorgesehen. Ines Perea vom BMG deutete allerdings an, dass Anpassungen im IfSG gegebenenfalls angestrebt würden, wenn diese für eine erfolgreiche flächendeckende Implementierung von EMIGA notwendig werden sollten.

AÖGW-Veranstaltung zur IT-Zielarchitektur

Informationen zur „ÖGD IT-Zielarchitektur“ bietet auch die AÖGW-Veranstaltung „Digitale Kompetenzen: Datenschutz und Interoperabilität“ am 25. und 26. Januar 2024. Am zweiten Tag des Webseminars referiert Ronny Vogel vom „Referat 635 - Digitalisierung im ÖGD“ des BMG zu dem Thema „Interoperabilität und die ÖGD IT-Zielarchitektur“. Weitere Informationen zum Programm und eine Anmeldemöglichkeit bietet die offizielle Veranstaltungsseite auf unserer Website.

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