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Pressemeldung

Sommerakademie: Gemeinsam gegen Rassismus und Diskriminierung – auch im Öffentlichen Gesundheitsdienst

Das Thema stieß auf große Resonanz: Rund 100 Kolleg:innen aus dem ÖGD trafen sich am 29. August in der AÖGW in Düsseldorf, um zentrale Fragen rund um Diskriminierung und Rassismus zu diskutieren. Unter dem Motto „ÖGD-Enquete gegen Rassismus und Diskriminierung“ beschäftigten sich Referent:innen und Teilnehmer:innen damit, wie der ÖGD einen Beitrag für ein diskriminierungsfreies Gesundheitswesen leisten kann. „Wir müssen sensibler werden für Diskriminierungen, um auch eigene Fehler zu reduzieren“, betonte Professorin Dr. phil Dagmar Starke, kommissarische Leiterin der Akademie.

Foto von Kirsten Kappert-Gonther
Dr. Kirsten Kappert-Gonther spricht auf der Sommerakademie 2024 in Düsseldorf. AÖGW

Im ersten Vortrag thematisierte Dr. Kirsten Kappert-Gonther, die amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags, wie die psychische Belastung breiter Bevölkerungsgruppen durch Effekte wie die Corona-Pandemie, die Klimakrise und ökonomische Unsicherheit verstärkt werde. Der gesellschaftliche Zusammenhalt müsse im Zentrum demokratischer Bestrebungen stehen, um den Gefahren der Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.

Dr. Johannes Donhauser, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Leiter des Gesundheitsamtes Neuburg-Schrobenhausen, zeigte in seinem Vortrag auf, wie tief die Nachwirkungen der NS-Zeit im heutigen ÖGD verankert sind: „Wir haben Geschichte im Rucksack – und eine Verantwortung für die Zukunft.“ Deshalb sei es wichtig, auch in der heutigen Zeit nicht wegzuschauen und auch in Situationen wie der Corona-Krise das Handeln zu hinterfragen. Zum Beispiel: Müssen wirklich ganze Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerber:innen für 14 Tage in Quarantäne gehalten wurden, weil eine Person positiv getestet wurde, stellte der Träger der Johann-Peter-Frank-Medaille in Frage.

Die frühere Leiterin der Kölner Beratungsstelle zu sexuell übertragbaren Krankheiten, Heidrun Nitschke, ist ebenfalls überzeugt, dass unser historisches Erbe kritisch reflektiert werden muss, um an einer gerechteren Praxis zu arbeiten. In ihrem Vortrag blickte die Expertin für das Themengebiet Sexuelle Gesundheit auf die Geschichte des Infektionsschutzgesetzes, das voll ist von Diskriminierungen – und diese erschwerten die Prävention und Bekämpfung sexuell übertragbarer Infektionen, insbesondere durch die Stigmatisierung der Sexarbeiterinnen. Bis in die 2000er-Jahre gab es beispielsweise in vielen Städten verpflichtende HIV-Tests – oft ohne jegliche Beratung. Dabei wurden Untersuchungen immer wieder in Bordellen oder Privaträumen durchgeführt und die Befunde zum Teil an die Bordell-Betreiber weitergegeben. Heidrun Nitschke: „Es ging weniger um die Gesundheit der Frauen, sondern eher um den Schutz der Kunden“.

Es geht aber auch anders. Das zeigte Dr. Margot Denfeld, die Leiterin des Kölner Gesundheitsamts, und stellte einige Maßnahmen vor, die in ihrem Amt Inklusion und Barrierefreiheit fördern – darunter eine App, die den Weg durch das Gesundheitsamt erleichtert. Wichtig sei es, die Barrieren in der Gesundheitsversorgung zu kennen, andere Bereiche einzubeziehen und daraus eine Gesamtstrategie zu entwickeln.

Foto von Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski
AÖGW-Referentin Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski auf der Sommerakademie 2024. AÖGW

Abschließend brachte Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski mit ihrem Vortrag „Identitäre Zuschreibungen durch andere“ eine berufliche sowie persönliche Perspektive in die Debatte ein. Im interaktiven Austausch mit dem Plenum demonstrierte sie, wie Abgrenzungsmechanismen funktionieren und welchen Effekt sie auslösen. Das Fazit: Rassismus reicht in alle Ebenen. Im ÖGD fehle zudem Supervision, Beratung und Psychohygiene. Die Veränderung beginne allerdings bei einem Selbst. Sie appellierte: „Lernen Sie sich selbst kennen und fragen Sie sich: ‚Was ist normal?‘. Wenn Sie wissen, was normal ist, haben Sie Ihren inneren Rassismus bedient. Normal ist zwischen China und Südamerika alles“.

Erste Ergebnisse aus den Workshops

Nach einer Mittagspause ging es in den Diskurs mit dem Plenum. In insgesamt drei Workshops konnten die Teilnehmer:innen gemeinsam mit den Gast-Dozent:innen und Referent:innen der AÖGW Lösungsansätze erarbeiten. Solmaz Golsabahi-Broclawski nutzte ihren Workshop, um eine offene Reflexion über Identität und alltägliche Diskriminierung anzuregen. In einer Art Mindmap teilten die Teilnehmer:innen ihre Gedanken zu den Themen „Ich bin ich“ und „Innerer Rassismus“.

Der Workshop von AÖGW-Kollegin Dr. Nicole Rosenkötter und Professorin Dagmar Starke untersuchte, wie diskriminierungssensible Kommunikation im ÖGD durch bewusstes „Wording“ verbessert werden kann. Die Teilnehmer:innen identifizierten verschiedene Mechanismen sprachlicher Ausgrenzung und betonten die Bedeutung von Sensibilität und Selbstreflexion im Umgang mit Sprache. Einigkeit bestand darin, dass diskriminierungssensible Kommunikation ein zentraler Bestandteil in Lehre, Aus-, Fort- und Weiterbildung sein sollte, um Konflikte zu vermeiden und eine respektvolle Interaktion zu fördern.

Foto eines Seminarraums mit vielen Menschen
Vorträge und Workshops der Sommerakademie waren sehr gut besucht. AÖGW

Der Workshop von Dr. Emmanuelle Brua, Leiterin des schulärztlichen Dienstes in Hamburg-Altona, widmete sich den Diskriminierungsrisiken im ÖGD und erörterte mögliche Präventionsstrategien auf Arbeitsebene. Gemeinsam entwickelten sie die Idee eines „Grundkurses Ethik“ für Mitarbeitende, der sich mit Themen wie den sich wandelnden Konzepten von Familie und Sexualität sowie der Rolle des Gesundheitsamts auseinandersetzt.

Im ersten Schritt sollte der ÖGD eine diskriminierungssensible und ethisch reflektierte Haltung entwickeln und in den beruflichen Alltag zu integrieren. Das fängt bei jeder und jedem Einzelnen an. Dabei ist wichtig, das eigene Bewusstsein zu schärfen, um Rassismus und Diskriminierung zu erkennen sowie in der Kommunikation die eigene Sensibilität zu signalisieren.

Die Sommerakademie im Video: Eine zehnminütige Zusammenfassung der Veranstaltung finden Sie auf YouTube.

Zum Video auf YouTube